Berliner Morgenpost Freitag, 30. April 2010 03:13 – Von Björn Engel
Hugo-Bräuer-Preis – BERLINER JUGENDMEISTERSCHAFT
Der harte Kampf der 420er
Vergangenes Jahr hatten sie kein Glück, und dieses Jahr wird wohl noch Pech hinzukommen. Denn die Besten der 420er-Segler werden beim Hugo-Bräuer-Preis wieder nicht dabei sein. Gerade acht Starter hatten sich bis Mittwoch für die Veranstaltung an diesem Wochenende angemeldet.
Gab es schon 2009 Terminkollisionen, wiederholt sich die Geschichte in der wichtigsten zweihändigen Jugend-Bootsklasse auch in diesem Jahr. Wer will schon auf der Dahme segeln, wenn zum gleichen Zeitpunkt entscheidende Punkte für die WM und EM der 420er in Schwerin vergeben werden?
Es ist ein kleines Drama, welches sich da abspielt. Noch vergangenes Wochenende schien es, als gebe es für diese Bootsklasse keinen geeigneteren Ort als Berlin. 47 Teilnehmer traten beim Wannseepokal an. Doch von ihnen wird kaum einer beim Hugo-Bräuer-Preis starten. Auch nicht die Drittplatzierten Maximilian Nickel und Jonas Kunow aus dem Potsdamer Yacht Club (PYC), wo wenigstens die Anreise nicht den Ausschlag gegeben hätte.
Vorschoter Kunow wird stattdessen diesmal mit Steuermann Paul Preuß vom Verein Seglerhaus am Wannsee (VSaW) als eines der aussichtsreichsten Berliner Teams nach Schwerin fahren, um weiter Punkte besonders für die Jugend-Europameisterschaft Ende Juli in Haifa (Israel) zu sammeln.
„Die Terminplanung ist bei so vielen Vereinen im Berliner Segler-Verband nicht immer leicht“, sagt Thomas Läufer, hauptamtlicher Trainer beim Potsdamer Yacht-Club. „Damit möglichst alle zum Zug kommen, finden allein auf dem Wannsee und der Großen Breite an manchem Wochenende parallel bis zu drei Regatten statt.“ Zusätzlich zu überregionalen Veranstaltungen.
HISTORISCHER HUGO-BRÄUER-PREIS
Da nützt es wenig, wenn der Hugo-Bräuer-Preis, den der Wassersport-Verein 1921 (WSV 21) auf der Dahme austrägt, aus historischer Sicht vielleicht eine der interessantesten Wettfahrten ist. Er wurde 1990 von Lieselotte Riechert, der Tochter von Hugo Bräuer, gestiftet. Die Dame ist mittlerweile über 80 Jahre alt und hat miterlebt, wie der Verein durch den Bau der Berliner Mauer 1961 einen großen Teil seiner Mitglieder verlor.
Wie sehr man im Westteil der Stadt trotz allem über 28 Jahre dem WSV 21 die Treue gehalten hat, bezeugt der heutige Vorsitzende Christian Bobrich: „Mit dem Mauerfall sind die Mitglieder zu 90 Prozent, wenn sie noch lebten, wieder zum Verein zurückgekehrt.“
Bobrich ist ein später Nachfolger von Hugo Bräuer. Der hatte von 1929 bis 1939 die Geschicke des WSV geleitet. Doch gegen die Zusammenfassung aller Vereine durch die Nationalsozialisten im „Deutschen Seglerverband im NS Reichsbund für Leibesübungen“ war der SPD-Mann Bräuer machtlos. Statt seiner übernahm in den Jahren 1939 bis 1945 der von den Nazis geduldete Heinrich Lemke den Vorsitz.
Mit der Einführung des Hugo-Bräuer-Preises gelang es Tochter Lieselotte Riechert gemeinsam mit ihrem Mann Karlhans, der Standhaftigkeit ihres Vaters in politisch schwierigster Zeit ein Denkmal zu setzen. Und das auf durchaus erfolgreiche Weise. 2002, in dem Jahr mit der höchsten Regattabeteiligung, meldeten sich in sechs Klassen insgesamt 146 Starter.
Noch 2007 nahmen allein bei den 420ern 23 Teams teil. Doch seit drei Jahren sinkt die Teilnehmerzahl aufgrund konkurrierender Veranstaltungen kontinuierlich. Bis Mitte der Woche hatten sich in sechs Bootsklassen gerade einmal 53 Starter gemeldet, von denen die Laser Radial mit 29 Teilnehmern noch die stärkste Fraktion bildeten.
Das ist bitter für einen Verein, der sich seiner historischen Vergangenheit ebenso bewusst ist wie der aktuellen Herausforderungen. So konnten genug Mittel in den letzten vier Jahren aufgebracht werden, um das benutzte Grundstück samt Uferstreifen – insgesamt immerhin 20 000 Quadratmeter – zu erwerben. Auch ein Zehn-Tonnen-Kran wurde angeschafft, der die rund 150 Boote des Vereins ins oder aus dem Wasser hieven kann.
Selbst die vereinseigenen 420er sind gerade wieder aus dem Schuppen geholt und aufgemöbelt worden, weil man auch beim WSV erkannt hat, „dass der 420er ein sehr gutes Boot für den Anfang ist“, wie Bobrich sagt. „Diese Klasse ist empfindlich genug, um das Gleichgewicht ebenso zu schulen wie das Manöververhalten.“
Das sehen auch die Trainer im PYC und VSaW so: „Auf den 420ern können Kinder segeln, ohne dass etwas Schlimmeres passiert“, sagt Kathrin Röhner, Trainerin im VSaW, die allein auf diesem Boot zehn Mannschaften betreut.
TAKTIKSCHULUNG AUF DEM 420ER
Da der 420er im Gegensatz zu dem konkurrierenden 29er weniger Ansprüche an die körperliche Geschicklichkeit stellt, können sich Anfänger dort viel besser auf die Taktik konzentrieren. „Komplizierte Manöver wie auf dem kippeligen 29er kann ich später immer noch lernen, aber taktische Erfahrungen, wie sie von Anfang an auf dem 420er möglich sind – damit kann man gar nicht früh genug beginnen“, sagt Kathrin Röhner.
Deshalb werden selbst die Besten aus Berlin – auch wenn sie bei der Europameisterschaft ganz vorn landen sollen – zu allen relevanten Meisterschaften geschickt. Auch zu den Berliner Jugend- und Jüngstenmeisterschaften vom 24. bis 26. September auf dem Müggelsee, die von der Morgenpost unterstützt werden. Und selbst zum Hugo-Bräuer-Preis – wenn der terminlich mal wieder besser passt. Aber so etwas sollte ja möglich sein.