Portugal: von Povoa de Varzim bis Figueira da Foz

       

In Povoa de Varzim blieben wir genau eine Woche. Starker Wind und Regen luden nicht unbedingt zur Weiterfahrt ein. Also genossen wir die Zeit in der Marina, lernten den netten Segelclub kennen und entdeckten die Stadt. Dabei stießen wir auf den Küsten-Jakobsweg, der direkt hier entlang führt. „Wir könnten ja auch ein Stück“, dachten wir uns. Gesagt, getan. Aber natürlich nicht in die Richtung, in die Masse der Wandernden strömte, sondern genau in die andere. Das merkten wir aber erst als uns immer mehr Rucksäcke und Wanderstöcke entgegen kamen, hahaha. Nun ja, zurück zum Boot mussten wir sowieso.

7 Tage später verließen wir Povoa de Varzim. Morgens um 6:30 Uhr starteten wir den Motor. Kein Niedrigwasser, darauf hatte ich diesmal geachtet. So passierten wir die Sandbank ohne Probleme und nahmen Fahrt auf. Leider stellte sich der versprochene leichte N-/NNW-Wind nicht ein. Wir setzten ein kleines Stück des Großsegels als Stützsegel um nicht zu sehr in den Wellen zu tanzen. Denn die versprochene 2m-Welle war natürlich da. „Wie zuverlässig die Welle doch ist“, dachte ich mir. „Der Wind könnte davon ruhig mal etwas lernen.“ Die Kombination aus hoher Welle, wenig Wind und Fahrt unter Motor führte bei mir einmal mehr zu Unwohlsein und nach halber Strecke zu Seekrankheit. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Äpfel und Zwieback essen und Wasser trinken mir irgendwie helfen. Sie heilen mich nicht, aber machen die Situation leichter, erträglicher. Zwischendurch döse ich mal kurzzeitig in der Plicht. Ausgestreckt daliegen und die Augen schließen bringt bei mir das durcheinander gekommene Gleichgewichtsgefühl wieder etwas in Ordnung. Zum Glück waren es nur 16 Seemeilen bis Leixoes, unserem nächsten Ziel. Auf dem Weg bis dorthin lagen so viele Fischerbojen vor der Küste, dass das Steuern von Hand und das scharfe Ausguck gehen eine perfekte Ablenkung für mich waren. So gingen die 4 Stunden Fahrt schneller vorbei als gedacht.

Der Hafen von Leixoes war zu unserem Erstaunen fast bis auf den letzten Liegeplatz voll. Und das in der Vorsaison. Der Hafen liegt vor Porto so günstig an der Küste, dass ein Einfahren in den Douro nicht nötig ist. Nach Porto kommt man wunderbar mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. An Leixoes spalten sich die Segler-Meinungen. Wir lagen ruhig in der Marina und es war nicht in Ansätzen der Schmutz zu sehen, der dem Hafen zu oft nachgesagt wird. Und wir hatten einen gutem Blick auf den Container-Hafen. Ich mag diesen Industrie-Charm und kann gut und gerne eine längere Zeit damit verbringen zuzuschauen wie Containerschiffe ein- und ausfahren und ent- und beladen werden.  

Von Leixoes aus machten wir zu Fuß einen Ausflug nach Matosinhos. Als wir die Brücke überquerten, die, die beiden Orte miteinander verbindet, entdeckten wir auf dem Rio Leca ein großes Segelschiff, einen Drei-Master. Irgendwie kam mir das Schiff bekannt vor, aber erst als wir auf der anderen Seite näher an ihm vorbeiliefen und ich die deutsche Flagge sehen konnte, zählte ich 1 und 1 zusammen. Da lag doch tatsächlich die Gorch Fock und wir in direkter Nachbarschaft zu ihr.

Zwei Tage später verließen wir Leixoes in Richtig Aveiro. Dort wollten wir in der Bucht von Sao Jacinto vor Anker gehen. Wir freuten uns darauf, waren aber auch aufgeregt. Bisher sind wir auf unserer Reise nur wenige Male vor Anker gegangen. Die Bucht sollte ruhig sein, so hatten wir gelesen.
Bei Sonnenaufgang waren wir bereit zum Ablegen. Für die 36 Seemeilen hatten wir 8 bis 9 Stunden kalkuliert. Wir setzten die Segel und los ging es. Augusta glitt durch die Wellen. Es war herrlich, schön, zu schön. Bereits kurze Zeit später fing der Wind an abzuflauen um dann fast ganz einzuschlafen. Auf die Welle war natürlich weiterhin Verlass, zwischen 1,5m und 2m. Rocko, so hatten wir unseren Motor schon in Dänemark getauft, musste also wieder zum Einsatz kommen. Wir wollten auf jeden Fall vor dem späteren Nachmittag in Aveiro sein, denn 1. war für diese Zeit eine deutliche Zunahme des Windes angekündigt und 2. sind wir bisher noch nicht so routiniert, was das Ankern mit Augusta betrifft.
Das war eine gute Entscheidung, denn mit dem Anker-Manöver sollten wir noch einmal viel zu tun bekommen…und schwitzen.

8 Stunden nachdem wir Leixoes verlassen hatten erreichten wir die Einfahrt in die Ria von Aveiro. Just in diesem Moment begann es aufzufrischen, ein böiger Wind setzte ein. „Na toll“, das sollte doch erst am späteren Nachmittag geschehen. Bei der Einfahrt in unsere Ankerbucht Sao Jacinto sahen wir die Böen übers Wasser rennen und spürten sie natürlich auch im Schiff. In der Bucht lagen bereits drei Segelboote vor Anker, in der Nähe eines kleinen Bojenfeldes. Langsam näherten wir uns an, der Wasserstand fiel stetig. Auf 5m Wassertiefe warfen wir den Anker. Nach kurzer Peilung merkten wir, dass wir abtrieben, der Anker hatte nicht richtig gegriffen. Das Lot (zur Messung der Wassertiefe) zeigte schlagartig einen viel niedrigeren Wasserstand an. Der Wind schob uns rückwärts, direkt auf eine Sandbank zu. Nun musste es schnell gehen, Vorwärtsgang einlegen und langsam vorfahren, Anker einholen und Manöver von neuem starten. Nur geht das bei Augusta alles nicht so schnell. Sie hat keine elektrische Ankerwinsch, nicht einmal eine manuelle. Bei uns ist alles Muskelkraft, in diesem Fall die Muskelkraft von Alex. Sie stemmte sich in die Kette und zog und zog und zog. 15m Ankerkette bei einer Stärke von 10mm, das ist ordentlich Gewicht. Kurze Zeit später war der Anker oben. Puh, wir schwitzten beide, Alex vor körperlicher Anstrengung, ich vor Aufregung. Wir starteten einen neuen Versuch. Diesmal ließen wir den Anker auf 6m Wassertiefe fallen. Wieder drückte uns der böige Wind und wir näherten uns erstaunlich schnell einem anderen Ankerlieger an. Das war uns nicht geheuer. Also Anker wieder hoch. Wir tauschten, Alex steuerte das Boot, ich legte mich in die Kette und setzte all meine Muskelkraft ein. Nach zwei gescheiterten Ankerversuchen entschieden wir, eine kurze Runde zu fahren, uns zu sortieren und einen neuen Plan zu entwickeln. Nun wollten wir uns das Bojenfeld anzuschauen. An einer Boje hatten wir bisher noch nie geankert, aber irgendwann ist immer das erste Mal. Tatsächlich gab es mehrere freie Bojen zur Verfügung. Also, gesagt, getan. Wir suchten uns eine Boje aus und „angelten“ sie. Es klappte auf Anhieb, doch „oh weh“, wir trieben wieder ab, wieder rückwärts, wieder geschoben vom Wind, wieder auf die Sandbank zu. „Das konnte doch nicht wahr sein.“ Wir hatten eine Boje erwischt, die nicht (mehr) fest am Boden verankert war. Beim Entfernen unserer Leine sah Alex eine Aufschrift, „nao usar“ (zu deutsch: nicht verwenden) stand auf der Boje. Wir waren also nicht die ersten und jemand hatte sich bereits die Arbeit gemacht, die Boje zu markieren. „Aber warum war sie noch hier? Und in diesem Zustand?“ Für mehr Gedanken war keine Zeit. Die gut gemeinte Aufschrift sieht man auch erst, wenn man ganz nah an der Boje ist und wenn sie in einem bestimmten Winkel zu einem liegt. Wir fuhren wieder raus aus dem Feld, drehten und suchten uns eine neue Boje aus. Alex stand mit Bootsharken ausgerüstet am Bug bereit und führte mich mit Handzeichen nah an die Boje heran. Geschwind führte sie unsere Leine um den Kopf der Boje herum und belegte beide Ende auf den Bugklampen. „Puh, Geschafft.“ So erreichten wir eine Verteilung der Zugkraft und lagen fest.  Obwohl der Wind weiter zugenommen hatte, bewegte sich Augusta nicht mehr. „Was war das für eine Aktion“, dachten wir beide und waren dabei fix und fertig. Doch noch trautem wir dem Frieden nicht, ließen den Motor eine kleine Weile weiter laufen und installierten den Ankeralarm. Vor einer möglichen unschönen Überraschung wollten wir wenigstens frühzeitig gewarnt sein.

An einen Landgang war an diesem Nachmittag nicht zu denken. Zum einen wollten wir Augusta nicht unbeaufsichtigt lassen und zum anderen hätten wir es bei dem starken Wind nicht geschafft an Land zu rudern. Unser Dingi (aufblasbares Beiboot) hat keinen Motor, sondern nur unsere Muskelkraft. Also blieben wir an Bord. Wirklich schlafen konnte ich in dieser Nacht nicht. Mehrmals schaute ich nach der Boje. Alles prima, wir lagen fest. Die Leine hatte genug Spielraum um den schwankenden Wasserstand von Hoch- zu Niedrigwasser und wieder zu Hochwasser ohne Probleme mitzumachen. Dennoch, es war einfach das erste Mal…

Am nächsten Morgen waren wir mit Sonnenaufgang bereit weiter zu fahren, nach Figueira da Foz.
Ursprünglich wollten wir weiter in die Bucht bis nach Aveiro fahren, über ein Fluss- und Kanalsystem. Aveiro wird auch das „Venedig Portugals“ genannt. Das reizte uns natürlich. Leider war es aber nicht möglich einen Liegeplatz im kleinen Hafen zu bekommen. Dort fand zu dieser Zeit eine mehrtägige Veranstaltung statt.
Kurz vor der Abfahrt überprüfte ich noch einmal auf der Internetseite der portugiesischen Marine ob die Zufahrt zum Hafen von Figueira da Foz möglich war. Das war sie. Bei ablaufendem Wasser verließen wir die Bucht von Sao Jacinto und erreichten mit der ordentlichen Fließgeschwindigkeit des Flusses Ria Aveiro sehr schnell die Ausfahrt auf den Atlantik. Dort setzten wir die Segel und Augusta surfte die Wellen. Wie schön. Das Glück währte aber wieder nur von kurzer Zeit. Der Wind wurde zunehmend weniger. Als die Segel nur noch schlugen, nahmen wir sie runter und setzten den Rest des Weges unter Motor und mit Autopilot fort. Immerhin, keine Fischerbojen auf der Strecke. Als wir das Cabo Mondego erreichten, wurde es etwas unruhig. Wellen schienen aus unterschiedlichen Richtungen anzulaufen. Unser Autopilot schaffte es nicht mehr Kurs zu halten. Ich ging ans Steuer. Figueira da Foz war schon in der Ferne auszumachen. Die Einfahrt in den Fluss Mondego wurde noch einmal etwas kabbelig. Ich musste ordentlich gegen steuern, denn die Wellen schoben Augusta immer wieder in Richtung der Mole. Dann wurde es schlagartig ruhig. Keine Welle mehr. Wir waren im Fluss und 15min später erreichten wir auch schon die Marina. Das Anlegemanöver klappte auf Anhieb. Yeah.


Von der Marina aus schauten wir beide auf die Stadt. Ich spürte vom ersten Moment an, dass Figueira da Foz etwas Besonderes hat, ich fühlte mich wohl…irgendwie wie angekommen…obwohl ich bis dato noch Nichts von der Stadt und deren Menschen gesehen hatte.

Fortsetzung folgt.