11./12. Juli – 62. Blaues Band der H-Jollen
20 Boote treten den Yardstick-Vergleich an
Christian und Jens Ruppert mit dem von Jörg Wohl erneut gestifteten Wanderpokal.
Die „Gazelle“ H-785 siegt und setzt sich gegen die Konkurrenz durch.
Bericht von Jens Ruppert, H-785, Gazelle
Viele sind Wiederholungstäter, wenn sie der Einladung zur Teilnahme am Blauen Band folgen. Wieso bloß? Das fragten wir uns jedenfalls noch nach unserer ersten Teilnahme im Jahre 2001.
Von der Alster her eigentlich nicht verwöhnt, was das Revier angeht, durften wir damals – als blutige Anfänger in der H-Jollen Regattaszene – gleich mit soviel „Garstigkeiten“ des Reviers Bekanntschaft machen, dass wir schon vor dem Start zur ersten Wettfahrt wieder zurückfuhren und die Veranstaltung von Land aus weiter mit verfolgten. Zu viel Wind, der sich in dem eher flussartigem Revier – für uns damals ohne jeden Grund – mancherorts auch noch verstärkte, rücklings überfiel, wo wir es nicht vermuteten, um dann an mancher Enge, die zu durchfahren war, wegzubleiben und den Ruf nach einem Paddel laut werden ließ.
Kurzum: ein anspruchsvolles Revier, so unser Fazit als Neulinge, mit Vorsicht zu genießen, zumindest, wenn man „alt“ fährt; folgerichtig machten wir in den Jahren darauf einen Bogen um diesen Ort, um anderenorts erst einmal das regattieren zu erlernen; was jedoch schon damals auch im Gedächtnis blieb, das war die besondere Atmosphäre des Ortes: die Boote am Steg im Licht der Sonne, dahinter im Schatten das alte Clubhaus – unter hohen alten Bäumen, umgeben von vielen vielen Bungalows – mit großem Saal zum feiern, dazu die Gastfreundschaft der Clubmitglieder, kurzum: es gab vieles, das trotz der „Garstigkeiten“ des Reviers für diesen Ort sprach.
Im Jahre 2007 konnten – von Michael Krieg, unserem damaligen Alt-OB aus Anlass des 60. Blauen Bandes nachdrücklich zum Kommen aufgemuntert – unsere Vorbehalte aus 2001 dann aber ausgeräumt werden. Wir hatten in der Zwischenzeit mit der H-183 nicht nur wertvolle Erfahrungen im „Alt-fahren“ sammeln können, sondern insbesondere zeigten sich die zwei Seenteile Langer See und Seddinsee von ihrer sonnig-schönsten Seite. Das zum Ende der Veranstaltung geschossene – und auch heute noch auf der Website vom WSV zu findende – Foto ist beredtes Zeugnis dieses gelungenen, schönen Wochenendes.
In diesem Jahr kamen wir mit der H-785, Gazelle, die wir – im Nachbarclub des WSV – in Schmöckwitz vom letzten Besitzer, in eher traurigem Zustand, in 2001 übernehmen und dann nach mehrjähriger Wiederherstellung (Seidenberg, Marchot, Bergner) in 2008 erstmals wieder segeln konnten. Schon bald, nämlich in Ratzeburg anlässlich des Traditionstreffens der H-Jollen, war festzustellen, dass Gazelle – zumindest bei leichten bis mittleren Winden – bei einer Wertung nach Yardstick durchaus bei den „modernen“ mitmischen konnte, das wollten wir auch am Langen See versuchen, nicht zuletzt verbunden mit der Hoffnung vielleicht beim WSV an die Gazelle-Tradition vergangener Tage (letzter Sieg des Blauen Bandes 1961 von Klaus Schröter/Rolf Gutge) wieder anzuknüpfen.
Eine nasskalt und windige Anfahrt aus Hamburg verhieß allerdings am Freitag eher nichts Gutes für das Wochenende; wir ließen uns deshalb bei weiter anhaltendem Regen nach unserer Ankunft lieber das Bier und die Schmalzbrote im Vereinshaus schmecken und verzichteten darauf aufzubauen, wie wir es uns eigentlich vorgenommen hatten; die Quittung kassierten wir dafür dann auch prompt am Samstag morgen, hatten wir doch eine ungeplante „Baustelle“ mit dem Großbaum, die wertvolle Zeit kostete und uns letztendlich zu spät ins Wasser kommen ließ.
Doch da war sie wieder: die WSV-Hilfsbereitschaft; wir bekamen einen Motorschlepp mit zwei weiteren Spätstartern, konnten somit unterwegs letzte Handgriffe tätigen, für die sonst keine Zeit mehr gewesen wäre, bogen an einem der auch uns zwischenzeitlich hinlänglich bekannten Flautenlöcher zwischen dem Berliner Staatsfort und einer Schmöckwitz vorgelagerten Insel in den Seddinsee ein und bekamen dort gleich das andere Gesicht dieses Reviers gezeigt: Wind aus Südwest und der nicht zu knapp. Aus dem Augenwinkel konnten wir noch sehen, wie sich die H-199 mit den beiden Michaels – die waren rechtzeitig losgekommen – auf dem Weg zum Start bei einer Halse zur Seite legte und vollief. „Das war’s für die“, mehr konnten wir nicht denken, geschweige denn helfen. Beim Startschiff angekommen blieben uns grad mal noch ein paar Minuten bis zum Start. Von Florian bekamen wir noch zugerufen: Start in zwei Gruppen – die Steuermannsbesprechung hatten wir wegen unserer „Baustelle“ ja auch nicht mitgemacht – und schon ging’s los für die 10 „alten“. Up and down, die Tonne musste also irgendwo am südwestlichen Ende des Seddinsee’s liegen. Zu spät machten wir die richtige orangefarbene Tonne aus, waren zu weit in eine Bucht beim Staatsforst reingefahren und hatten bereits zu viel Höhe, um die Tonne anzuliegen; Manne Lisken war konsequent auf der anderen Seeseite hochgekreuzt und mit den beiden anderen BDS Jollen dann auch zuerst um die Tonne – unter Spi ging’s dann zur Leetonne, die am Ende der im Seddinsee gelegenen kleinen Insel ausgelegt war. Unterschiedliche Vorwindtaktiken waren auszumachen, direkt der eine, vor dem Wind kreuzend der andere. Am Leefass waren die Positionen dieselben und: die „modernen“ waren noch nicht da; erstaunlich, aber denen fehlten wohl doch die Rutschen. An der darauf folgenden Kreuz rauschten sie dann aber nacheinander an uns vorbei… mehr Speed, mehr Höhe. Irgendwann sahen wir unter Land eine weitere Alt-H-Jolle am lenzen, das musste die „Rana“ sein; die waren gerefft gestartet, hatten ohne Spi den Vorwind Gang gemacht und uns dabei immer dicht auf den Fersen gewesen. ….uff, da waren’s nur noch acht, an die „modernen“ war eh kein Denken. Hin und her ging’s aber mit den BDS’ern, Gert und Charly waren noch da, Uli Bischoff mit seinem Schotten Jörg, Manne Lisken schon zu weit weg.
So kamen wir dann nach einer letzten Kreuz dicht beieinander mit den drei BDS’ern durch’s Ziel, die modernen lagen derweil schon ruhig im Schilf, warteten auf den nächsten Durchgang und informierten uns über weitere Ausfälle (alt gegen modern mit einem alten Sieger); während auf mancher modernen ganz altmodisch Hopfen und Malz in Flüssigform als kleine Zwischenmahlzeit eingenommen wurde, hatten wir mit dem Brot der Wüste (getrocknete Datteln) eine vergleichsweise moderne und leichte Erfrischung an Bord unseres alten Kahn’s.
Entsprechend leicht fiel uns auch der Start zur zweiten Wettfahrt – der Wettbewerb war zudem schlicht zu spät und wir konnten ungestört unseren Stiefel segeln. Rauf-runter-rauf-runter-rauf ins Ziel, praktisch zeitgleich mit Manne Lisken, die modernen da bereits schon am südwestlichen Ende des Seenteils auf dem Nachhauseweg zum lang ersehnten Kaltgetränk – manch einer im Kampf mit dem Flautenloch bei Schmöckwitz. Fazit des ersten Tages: schön und abwechslungsreich war’s auf dem Wasser, wie dann auch an Land; manch heißes Thema ( z.B. Alt-H-Jolle quo vadis? ) wurde dort in kleiner oder große Runde diskutiert und nicht wie ’ne heiße Kartoffel fallengelassen.
Und mancher, der sich tagsüber noch nicht genug verausgabt hatte, konnte dann auch noch das Tanzbein schwingen, nachdem die lobenswerte Grillmannschaft mit dem Schlachtruf: „alles muss weg“ ihren Dienst getan hatte.
Am Sonntag – mit einer angesetzten Langstrecke – zeigte sich das Revier von seiner sommerlich-sonnigen und ruhigen Seite. Aufgrund der Windrichtung und Windstärke wurde die Routenführung der Langstrecke ausschließlich in den Langen See gelegt, was sich als eine weise Entscheidung der Wettfahrtleitung herausstellen sollte: Denn schon der Start zeigte, dass ein kurzzeitiges Wegbleibens des Windstrichs nicht die Ausnahme, sondern die Regel an diesem Tag sein sollte. So kamen wir zwar im Gegensatz zu vielen unserer Alt-Kollegen noch ganz gut weg und konnten mit besagtem Windstrich auch die erste Luvtonne erfolgreich runden, fielen dann aber durch falsche Seitenwahl unter Spi in unser erstes Loch, Manne Lisken nahm wieder einmal die andere Seite….. und zog kontinuierlich auf und davon. Doch der Tag zeigte wohl Allen irgendwann einmal die Tücke des Reviers, keiner blieb verschont, immer mal wieder zu sehen: hektische Bewegungen, immer mal wieder zu hören: laute Worte; kurz: ein Bild für die Götter. Aber die hatten Erbarmen: jeder kam auch irgendwann wieder aus seinem Flautenloch heraus und somit auch irgend wann ins Ziel – vorausgesetzt er hatte nicht bereits zuvor das Vertrauen in die Götter verloren. So konnten wir Manne Lisken kurz vor dem Ziel wieder stellen und praktisch zeitgleich mit Ihm durchs Ziel gehen, voilà das war’s.
Während die Schiffe zusammengepackt wurden, rechnete die Wettfahrtleitung fleißig und selbstgebackene köstliche Kuchen mit einer Tasskaff oder einem Kaltgetränk halfen mit bei den Teilnehmern den Adrenalinpegel nach diese harten Probe der Götter wieder auf Normalmass runterzuregeln; bei der abschließenden Bekanntgabe und der Vergabe der Wanderpreise durften wir den kupfernen Pokal – Otto Stock hatte sein blaues Band als Gewinner 2008 noch in dieser Wundertüte drin belassen – beglückt und stolz in die Höhe stemmen und in ein voll beladenes Auto für ein Jahr in Richtung Hamburg entführen.
Ein großes Dankeschön an alle WSV’ler für dieses rundum nette Weekend, das Wiederkommen ist nicht nur versprochen, sondern in dem Fall: unvermeidlich!
mit besten Grüßen aus Hamburg
Jens Ruppert, H-785, Gazelle